18. Dezember 2024

Volksinitiative 'Für eine verantwortungsvolle Wirtschaft innerhalb der planetaren Grenzen (Umweltverantwortungsinitiative)'

Parolenfassung für die eidgenössische Abstimmung vom 09.02.2025: Volksinitiative 'Für eine verantwortungsvolle Wirtschaft innerhalb der planetaren Grenzen (Umweltverantwortungsinitiative)'.

Der Vorstand empfiehlt die Ja-Parole.

Übersicht

Die Umweltverantwortungsinitiative fordert, dass die Schweizer Wirtschaft innerhalb der planetaren Grenzen operiert, um die natürlichen Lebensgrundlagen für heutige und zukünftige Generationen zu sichern. Sie strebt eine Verankerung dieses Grundsatzes in der Bundesverfassung an und fordert eine Reduktion der Umweltbelastung innerhalb von zehn Jahren. Dabei betont die Initiative die sozialverträgliche Umsetzung und die Verantwortung der Schweiz für eine nachhaltige, globale Entwicklung. Während Befürworter:innen die Initiative als notwendigen Schritt zur Bekämpfung der Umweltkrise und zur Förderung eines faireren Wirtschaftssystems sehen, warnen Gegner:innen vor wirtschaftlichen Nachteilen, administrativen Hürden und der schwierigen Umsetzbarkeit der Ziele.

 

Was fordert die Initiative?

Die Umweltverantwortungsinitiative verlangt, dass wirtschaftliche Tätigkeiten in der Schweiz so gestaltet werden, dass sie die natürlichen Lebensgrundlagen bewahren. Konkret bedeutet dies, den Ressourcenverbrauch und den Schadstoffausstoss auf ein Mass zu reduzieren, das die ökologischen Belastungsgrenzen des Planeten respektiert. Dabei stützt sich die Initiative auf das wissenschaftliche Konzept der „planetaren Grenzen“.

Verfassungsänderung

Die Initiative schlägt vor, diesen Grundsatz in der Bundesverfassung zu verankern. Dazu soll ein neuer Artikel 94a eingeführt werden, der festlegt, dass die Natur und ihre Erneuerungsfähigkeit den Rahmen für die schweizerische Gesamtwirtschaft bilden. Wirtschaftliche Tätigkeiten dürfen nur so viele Ressourcen verbrauchen und Schadstoffe freisetzen, dass die natürlichen Lebensgrundlagen für heutige und zukünftige Generationen erhalten bleiben.

Reduktion der Umweltbelastung

Innerhalb von zehn Jahren nach Annahme der Initiative soll die durch den Konsum in der Schweiz verursachte Umweltbelastung so weit reduziert werden, dass die planetaren Grenzen nicht mehr überschritten werden. Dies betrifft zentrale Umweltbereiche wie Klimawandel, Biodiversitätsverlust, Boden- und Wasserressourcen sowie die Stickstoff- und Phosphorkreisläufe.

Sozialverträglichkeit

Die Initiative legt besonderen Wert auf eine sozial gerechte Umsetzung, sowohl in der Schweiz als auch international. Bund und Kantone sind verpflichtet, Massnahmen so zu gestalten, dass soziale Ungleichheiten berücksichtigen und diese abgebaut werden. Die ökologischen Ziele sollen mit sozialer Gerechtigkeit in Einklang gebracht werden, um einen nachhaltigen Wandel zu schaffen, der allen Menschen zugutekommt.

 

Was sind die plantetaren Grenzen?

Das Konzept der planetaren Grenzen bietet eine wissenschaftlich fundierte Grundlage für den Erhalt der ökologischen Stabilität unseres Planeten. Es wurde 2009 von einem internationalen Forscherteam unter der Leitung von Johan Rockström und Will Steffen entwickelt. Die planetaren Grenzen definieren den sicheren Handlungsspielraum der Menschheit, innerhalb dessen wir unsere natürlichen Ressourcen nutzen können, ohne die lebenswichtigen Systeme der Erde zu destabilisieren.

Das Konzept umfasst neun zentrale Umweltbereiche, die als planetare Grenzen definiert sind: Klimawandel, Biodiversitätsverlust, Stickstoff- und Phosphorkreisläufe, Landnutzungsänderungen, Einbringung neuartiger Substanzen, Süsswassernutzung, Ozeanversauerung, atmosphärische Aerosolbelastung und Abbau der Ozonschicht in der Stratosphäre. Diese Dimensionen sind eng miteinander verknüpft: Eine Überschreitung in einem Bereich, etwa beim Klimawandel, kann andere Bereiche negativ beeinflussen, wie den Erhalt der Biodiversität oder die Stabilität des Süsswasserkreislaufs.

Bereits heute sind viele dieser Belastbarkeitsgrenzen überschritten. Das gefährdet nicht nur die Stabilität unserer Ökosysteme, sondern auch die Lebensgrundlagen der Menschheit. Besonders bedrohlich ist die Wahrscheinlichkeit, sogenannte Kipppunkte zu erreichen – irreversible Veränderungen, die zu einem Kollaps der Ökosysteme führen können. In der Schweiz werden die Dimensionen Biodiversitätsverlust, Klimaveränderung, Wasserverbrauch und Stickstoffverlust als sehr kritisch beurteilt. Dennoch ist eine Rückkehr in den sicheren Bereich möglich, wenn wir nachhaltige Produktionsweisen und Konsumverhalten umsetzen.


Wortlaut der Initiative

Die Volksinitiative «Für eine verantwortungsvolle Wirtschaft innerhalb der planetaren Grenzen (Umweltverantwortungsinitiative)» hat den folgenden Wortlaut:

Die Bundesverfassung (BV) wird wie folgt geändert:

Art. 94a Rahmen der Wirtschaft

1 Die Natur und ihre Erneuerungsfähigkeit bilden den Rahmen für die schweizerische Gesamtwirtschaft. Wirtschaftliche Tätigkeiten dürfen nur so viele Ressourcen verbrauchen und Schadstoffe freisetzen, dass die natürlichen Lebensgrundlagen erhalten bleiben.

2 Bund und Kantone stellen die Einhaltung dieses Grundsatzes sicher; dabei tragen sie insbesondere der Sozialverträglichkeit im In- und Ausland der von ihnen getroffenen Massnahmen Rechnung.

Art. 197 Ziff. 13

13. Übergangsbestimmung zu Art. 94a (Rahmen der Wirtschaft)

1 Bund und Kantone sorgen dafür, dass die durch den Konsum in der Schweiz verursachte Umweltbelastung spätestens zehn Jahre nach Annahme von Artikel 94a durch Volk und Stände die planetaren Grenzen gemessen am Bevölkerungsanteil der Schweiz nicht mehr überschreitet.

2 Diese Bestimmung gilt namentlich in den Bereichen Klimaveränderung, Biodiversitätsverlust, Wasserverbrauch, Bodennutzung sowie Stickstoff- und Phosphoreintrag.
 

Positionen
 

Parlament

Bundesrat: Nein

Nationalrat: 129 Nein; 60 Ja; 2 Enthaltungen

Ständerat: 34 Nein; 9 Ja; 1 Enthaltungen
 

Befürwortende Organisationen und Parteien:

  • Greenpeace, umverkehR, Sentience Politics, Casafair, Kleinbauernvereinigung
  • Junge Grüne, Grüne Partei, SP, Juso, EVP
  • 83 Schweizer Wissenschaftler:innen

Gegner:innen:

  • Economiesuisse, Infra Suisse, Gewerbeverband, Bauernverband, Swissmem
  • FDP, SVP, Mitte
     

Argumente für die Initiative

  • Schutz der Lebensgrundlagen und Umweltkrisen verhindern: Die Initiative stellt sicher, dass die natürlichen Lebensgrundlagen erhalten bleiben, damit alle Menschen Zugang zu gesunder Nahrung, sauberem Trinkwasser und frischer Luft haben. Durch die Einhaltung der planetaren Grenzen werden Umweltkrisen, extreme Wetterereignisse und irreversible Schäden an Ökosystemen verhindert. Dies trägt zur Sicherung der Lebensqualität heutiger und zukünftiger Generationen bei.
  • Notwendigkeit eines Wirtschaftswandels: Wissenschaftliche Analysen zeigen, dass das wachstums- und profitorientierte Wirtschaftssystem massgeblich zur Umweltzerstörung beiträgt. Die Initiative ermöglicht einen Wandel zu nachhaltigen Wirtschaftsmodellen wie der Doughnut-Ökonomie oder einer Postwachstumsgesellschaft. Diese Modelle fördern Wohlstand, ohne die planetaren Grenzen zu überschreiten. Damit ein solcher Wandel gelingt, braucht es eine Wirtschaftspolitik, die sich nicht länger ausschliesslich am Bruttoinlandsprodukt (BIP) orientiert, sondern das Wohl von Mensch und Umwelt ins Zentrum stellt.
  • Soziale und ökologische Gerechtigkeit: Die Initiative verweist auf die historische Verantwortung der Schweiz für die Umweltkrisen, da ihr Wohlstand auf jahrzehntelanger Übernutzung natürlicher Ressourcen basiert. Sie unterstreicht die Notwendigkeit globaler Solidarität, insbesondere mit Ländern des Globalen Südens und zukünftigen Generationen, die besonders stark von den Folgen der Umweltzerstörung betroffen sind. Ein zentraler Punkt ist dabei die sozialverträgliche Umsetzung der Ziele, um soziale Ungerechtigkeiten zu vermeiden. Gleichzeitig sollen Grosskonzerne stärker in die Pflicht genommen werden, ihre Umweltauswirkungen zu reduzieren. Davon könnten vor allem KMU profitieren, die oft ressourcenschonender arbeiten und lokal agieren, da dies zu einem faireren Wettbewerbsumfeld führen würde.
  • Vorbildrolle und globale Auswirkungen: Die Schweiz soll mit ihrem Wohlstand, ihren Technologien und ihrer Demokratie eine Vorbildrolle bei der ökologischen und sozialen Transformation übernehmen und damit den globalen Wandel vorantreiben. Die Umsetzung könnte zeigen, dass eine ökologische und soziale Transformation machbar ist und weltweit als Vorbild dienen.
  • Reduktion der Umweltbelastung: Die Initiative fordert eine starke Reduktion der Umweltbelastung innerhalb von zehn Jahren, um die planetaren Grenzen einzuhalten. Wissenschaftliche Berechnungen legen nahe, dass der CO₂-Fussabdruck pro Person um mehr als 90% und die Umweltbelastung der Schweiz um etwa 67% gesenkt werden müsste, um die planetaren Grenzen einzuhalten.
     

Argumente gegen die Initiative

  • Weitreichende wirtschaftliche und gesellschaftliche Konsequenzen: Die starre Umsetzungsfrist von zehn Jahren könnte zu erheblichen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Herausforderungen führen. Kritiker:innen warnen vor einem drastischen Rückgang des Wohlstands, da Unternehmen und Privatpersonen kaum ausreichend Zeit hätten, sich an die neuen Anforderungen anzupassen. Dies könnte insbesondere für energieintensive Branchen und Konsument:innen zu erheblichen Kostensteigerungen führen.
  • Wettbewerbsnachteile: Strengere Vorgaben für Produkte und Dienstleistungen in der Schweiz könnten zu Nachteilen im internationalen Wettbewerb führen. Während Schweizer Unternehmen unter hohen Standards produzieren müssten, wären ausländische Anbieter weniger stark reguliert. Betroffen wären zentrale Bereiche wie Ernährung, Energie und Mobilität, was je nach Umsetzung zu höheren Preisen für Konsument:innen und Wettbewerbsnachteilen für Unternehmen führen könnte.
  • Bürokratische und administrative Belastungen: Die Umsetzung der Initiative würde zusätzliche Vollzugskosten und eine erhebliche Bürokratisierung mit sich bringen. Kritiker:innen befürchten, dass die Verwaltung überfordert wäre, die komplexen Massnahmen zu kontrollieren und umzusetzen. Auch für Unternehmen könnte dies einen zusätzlichen administrativen Aufwand bedeuten, der vor allem kleine und mittlere Betriebe (KMU) belasten würde.
  • Bestehende Massnahmen und Gesetze: Der Bundesrat und das Parlament betonen, dass bereits umfangreiche Umweltmassnahmen existieren, wie das CO2-Gesetz, der Energie-Mantelerlass (Stromgesetz) sowie gezielte Massnahmen zur Förderung der Kreislaufwirtschaft und zur Erhaltung der Biodiversität. Diese bestehenden Ansätze seien wirksam und könnten schrittweise ausgebaut werden, ohne zusätzliche Risiken für Wirtschaft und Gesellschaft zu schaffen.
  • Unklare Umsetzung: Der Initiativtext lässt offen, wie die Ziele konkret erreicht werden sollen. Gegner:innen sehen darin eine grosse Unsicherheit, insbesondere hinsichtlich der praktischen Umsetzung auf Gesetzesstufe. Kritiker:innen sehen Schwierigkeiten darin, innerhalb der kurzen Frist von zehn Jahren eine ausgewogene Berücksichtigung der Interessen aller Betroffenen sicherzustellen.
     

Empfehlung des Vorstandes

Der Vorstand empfiehlt die Ja-Parole.
 

Weiterführende Informationen

 

Vielen Dank

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Die Abstimmung ist abgeschlossen.