03. Dezember 2020

Offener Brief an die Mitglieder der Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft

Photo by Hansjörg Keller on Unsplash
Heute beginnt die Sondersession. Angesichts der sich zunehmend verschärfenden Situation in unserem Land appellieren wir im Namen unserer Mitglied-KMUs an Sie, folgende Punkte in den anstehenden Debatten zu berücksichtigen:

1. KEIN ZWEITER LOCKDOWN

Selbständige und das Kleingewerbe stehen – unverschuldet – vor sehr schwierigen finanziellen Situationen. Sie haben während der 1. Covid-19 Welle im Frühling ihre Reserven und auf Grund der teilweise massiven Umsatzeinbussen auch die vom Bund resp. den Banken zur Verfügung gestellten Kredite aufgebraucht. Ein zweiter Lockdown wäre ein Dolchstoss ins Herz der Schweizer KMU-Wirtschaft mit der Folge von zehntausenden Konkursen und einem Vielfachen mehr an Arbeitslosen.

2. WEITERFÜHRUNG DER KURZARBEIT, ENTSCHÄDIGUNG FÜR SELBSTÄNDIGERWERBENDE, KULTURSCHAFFENDE UND KMU-INHABER*INNEN

Nach wie vor gibt es Lücken bei wichtigen finanziellen Ausfällen verursacht durch die Corona-Pandemie: Wer bezahlt den Ausfall von Mitarbeitenden, die zu Hause isoliert auf Covid-Test-Resultate warten? Wer bezahlt den Ausfall von Personen, die zwar gesund sind, jedoch wegen Kontakt mit einer positiv getesteten Person präventiv in Quarantäne müssen? Wer bezahlt den Ausfall von Arbeitnehmenden, wenn die Fremdbetreuung der Kinder vermehrt nicht gewährleistet ist oder erneut Homeschooling eingesetzt muss? Wie können solche Entschädigungen rasch und unbürokratisch ausbezahlt werden, damit keine zusätzlichen finanziellen Engpässe entstehen? «Der Gewerbeverein» ist bereit, zusammen mit nationalen und kantonalen Regierungsvertreter*innen Lösungen zu erarbeiten, die von den KMU mitgetragen werden.

«Der Gewerbeverein» ruft Bund und Kantone auf, den betroffenen Unternehmen eine faire, kluge und individualisierte Umsatzentschädigung auszurichten.

Ansätze dazu könnten beispielsweise sein:

  • Umsatz der letzten 5 Jahre wird mit dem laufenden Jahr verglichen.
  • Analog zu den Lösungen für Selbständige, wird eine Art Umsatz-Taggeld abzüglich Fixkosten, Versicherungsbeiträge, weiterer Entschädigungen, Mieterlasse und Kurzarbeitbeiträge als Differenz ausbezahlt.

3. KOORDINATION DURCH DEN BUND

Sie als Parlamentarier*innen haben es in der Hand, die Koordination der jetzt dringend benötigten Massnahmen zur Eindämmung der Pandemie und zur Milderung deren Folgen für das Gewerbe, das Gastgewerbe und insbesondere auch für die Kulturschaffenden und die Eventbranche, an den Bundesrat zurück zu geben. Unser föderalistisches System funktioniert hervorragend, wenn die Berücksichtigung regionaler Gegebenheiten gefordert ist.

Das Virus macht jedoch keinen Halt vor regionalen und kantonalen Grenzen!

Um die Worte der Bundespräsidentin zu wiederholen: Setzen Sie dem „Gstürm“ ein Ende und übergeben Sie die Vollmacht dem Bundesrat, der unser grossartiges Land umsichtig und unaufgeregt durch die nationale Krise im Frühling geführt hat! «Der Gewerbeverein» befürwortet aus diesem Grund eine nationale Strategie zur Bewältigung der Krise unter Federführung des Bundes. Die Kantone werden aufgefordert, sich mit dem Bund zu koordinieren resp. sich ihm zu unterstellen.

4. INVESTITIONEN INS CONTAC TRACING UND INS TESTEN

Obschon eine „2. Welle“ von allen Expert*innen vorausgesehen wurde, haben es die kantonalen Behörden verpasst, genügend Kapazitäten für ein effizientes Contac Tracing zu schaffen. Die derzeit teilweise chaotischen Zustände in den regionalen Contac Tracing-Zentren benötigen dringend Unterstützung zB. durch die Bundesbehörden, allenfalls durch den Zivilschutz oder die Armee, um in diesem Bereich sofort die dringend benötigte Effizienz wieder herzustellen.

Effizienz, die es braucht, um unnötige Quarantäne-Absenzen der teilweise dringend benötigten Arbeitskräfte zu verkürzen. Im Moment es klappt teilweise schon in der Zustellung von Bestätigungen „Verordneter Quarantäne“ nicht, damit Arbeitgeber*innen überhaupt eine Absenz akzeptieren und die zustehenden Versicherungsleistungen beziehen können. Diesen absurden und unhaltbaren Zuständen ist sofort entgegenzuwirken und entsprechende Ressourcen sind sofort bereit zu stellen.

Zudem fordert „Der Gewerbeverein“ die sofortige Einführung von mehr und schnelleren Test-Kapazitäten.

5. VERSCHWINDEN EINZELNER BRANCHEN VERHINDERN

«Der Gewerbeverein» unterstützt die selbständig Erwerbenden und die Kleinunternehmen mit Beratungen und Informationen. Im Kontakt mit den Unternehmungen, erhalten wir zunehmend Meldungen von Mitgliedern, die kurz vor dem Konkurs stehen. Es besteht ohne Zweifel dringender Handlungsbedarf.

Sie, sehr geehrte Parlamentarier*innen, haben es in der Hand, ein deutliches Zeichen zu setzen, die Spaltung in Betroffene und nicht Betroffene, in Unterstützte und nicht Unterstützte zu verhindern. Nicht alle Branchen sind gleich stark von den Folgen der Pandemie betroffen. Um eine vielfältige Wirtschaftslandschaft auch in Zukunft zu gewährleisten, ruft «Der Gewerbeverein» Bund und Kantone auf, Unterstützungsgelder für die besonders stark betroffenen Branchen wie beispielsweise Kultur, Gastronomie, Mode, Veranstaltungen, Sport und Reisen jetzt sofort bereit zu stellen.

6. KMU NICHT KONZERNE UNTERSTÜTZEN

Sie haben es in der Hand, den Machenschaften gewisser Konzerne ein Ende zu setzen und das Auszahlen von Bonis in Firmen, die durch den Bund unterstützt wurden, zu unterbinden! Einen Sie mit Ihrem besonnenen, klugen und schnellen Vorgehen die Schweiz und sichern Sie damit eine vielfältige KMU-Wirtschaft in der Schweiz!

7. GESCHÄFTSMIETEN-GESETZ ZUSTIMMEN UND UMSETZEN

«Der Gewerbeverein» fordert Sie auf, dem Geschäftsmietengesetz zuzustimmen. Immer noch sind neben kooperativen und verständnisvollen Vermieter*innen viele KMU-Betriebe mit unnachgiebigen Vermieter*innen, die ohne jedes Verständnis der aktuellen Situation handeln, konfrontiert. Im Grundsatz würde «Der Gewerbeverein» auch lieber individuelle Lösungen befürworten. Die Praxis hat jedoch gezeigt, dass hier eine nationale Lösung gefordert ist. Dieses, durch das Parlament im Grundsatz beschlossene Gesetz ist jetzt sofort in die Tat umzusetzen und kann jetzt nicht durch Taktieren und Verzögern die Umsetzung verweigert werden. Jede Branche, auch die Immobilienbranche und die Vermieter*innen, haben ihren Beitrag zur Bewältigung der Krise beizutragen. «Der Gewerbeverein» hat schon in der Vernehmlassung zum Gesetz auf diese Gegebenheit hingewiesen. Seine Forderung, für kleinere Einzelfirmen oder Privatpersonen (als Vermieter*innen) eine Härtefallklausel einzubringen, wurde im Gesetz Rechnung getragen. Bitte stimmen Sie dieser Vorlage jetzt zu und vollziehen Sie den demokratischen Mehrheitsentscheid.

Im Namen unserer Mitgliedern fordert Sie «Der Gewerbeverein» auf, die oben aufgeführten Punkte und Argumente in Ihre sachlich geführten Diskussionen aufzunehmen, die Partei-Parolen und -Grundsätze in dieser nie dagewesenen nationalen Krise in den Hintergrund zu stellen und den Menschen in diesem Land zu helfen!

Wir sind überzeugt, dass Sie als Volks- und Gewerbevertreter*innen die Verantwortung für ein geeintes Land zu übernehmen bereit sind! Hören Sie die Branchenvertreter*innen an, lassen Sie sich NICHT von Parteidogmen und „beschränkten Mitteln“ leiten, sondern helfen Sie mit, mit Ihren klugen und umsichtigen Entscheidungen in dieser Sondersession unser Land wieder auf Kurs zu bringen und diese nationale Krise gemeinsam mit allen Branchen, allen Firmen und Betrieben und allen Menschen in diesem Land zu bewältigen.

Wir bedanken uns herzlich für Ihre Aufmerksamkeit und das Einbringen unserer Argumente.

Freundliche Grüsse

«Der Gewerbeverein»