04. Oktober 2021

Die gesetzlichen Pflichten der Arbeitgeberin bezüglich sexueller Belästigung

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Was gilt als sexuelle Belästigung? Wie biete ich meinen Angestellten physischen und psychischen Schutz? Welche weiteren Massnahmen können KMU konkret ergreifen?  

von Simon Meyer, Aquilaw AG

Was eine sexuelle Belästigung ist, hängt primär davon ab, wie es die betroffenen Person auffasst. Zudem sind rechtliche objektive Kriterien anzuwenden. Wie fest diese voneinander abweichen können, zeigt die im Jahr 2012 in der Schweiz durchgeführte Befragung. Diese kam zum Ergebnis, dass 30 Prozent der Erwerbstätigen in den letzten 12 Monaten ein Erlebnis hatten, was aus rechtlicher Perspektive als sexuelle Belästigung gelten könnte. Doch nur 10.3 Prozent der Frauen und 3.5 Prozent der Männer fühlten sich dadurch tatsächlich belästigt. 

Gemäss Seco sind die folgenden Aktivitäten sexuelle Belästigung: 

  • Vorzeigen, Aufhängen, Auflegen und Verschicken von pornografischem Material (auch elektronisch)
  • Anzügliche Bemerkungen und sexistische «Witze»
  • Unerwünschte Körperkontakte und Berührungen
  • Annäherungsversuche und Druckausübung, um ein Entgegenkommen sexueller Art zu erlangen – oft verbunden mit dem Versprechen von Vorteilen und dem Androhen von Nachteilen

Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz ist für alle betroffenen Personen ein ernst zu nehmendes Thema. Die enormen psychischen Folgen sowie eventuelle wirtschaftliche Konsequenzen können zu ständigen Begleitern für die belästigte Person werden. Ferner werden Arbeitgeberinnen mit rechtlichen Konsequenzen konfrontiert und verlieren qualifizierte Fachkräfte. 

Das Arbeitsverhältnis

Das Arbeitsverhältnis ist ein vollkommener zweiseitiger Vertrag. Dies bedeutet, dass beide Vertragsparteien Rechte und Pflichten haben. Die Arbeitnehmer:innen müssen die Arbeit verrichten und Anweisungen befolgen, während die Arbeitgeberin den Lohn zahlen und die physische und psychische Integrität der Arbeitnehmer:innen schützen muss. Wird eine vertragliche Pflicht verletzt, ist der Vertrag nicht korrekt erfüllt und es erwachsen Schadenersatzforderungen.

Der Schutz der Arbeitnehmer:innen ist in der Fürsorgepflicht nach Art. 328 OR geregelt. Nach Art. 328 Abs. 1 OR hat die Arbeitgeberin explizit dafür zu sorgen, dass Arbeitnehmer:innen nicht sexuell belästig werden und dass den Opfern von sexuellen Belästigungen keine Nachteile entstehen. Der Schutz von Art. 328 OR geht so weit, dass die Arbeitnehmer:innen auch vor Dritten (Vorgesetzen, Mitarbeiter:innen und Kund:innen, Lieferant:innen) zu schützen sind.

Die konkreten pflichten der Arbeitnehmerin

Das Obligationenrecht enthält folglich drei konkrete Pflichten für die Arbeitgeberin: 

  1. Erstens darf die Arbeitgeberin im Sinne einer Unterlassungspflicht selber keine sexuelle Belästigung ausüben.
  2. Zweitens hat die Arbeitgeberin den Betrieb so zu organisieren, dass keine sexuelle Belästigung stattfinden kann.
  3. Drittens ist die belästigte Person umgehend vor Nachteilen zu schützen.

Organisation im Betrieb

Wie ein Kleinbetrieb oder ein KMU sich zu organisieren hat, dass keine sexuelle Belästigung stattfindet, ist im Einzelfall zu prüfen. Wichtig ist, dass das Kader und die Arbeitnehmer:innen wissen, was nicht toleriert wird und an wen sie sich bei Unsicherheiten und Grenzüberschreitungen wenden können. Folglich ist das Personal zu sensibilisieren und zu instruieren, wie sie sich in gewissen Situation zu verhalten haben. 

Im Idealfall wird auch auf eine Fachstelle verwiesen, welche bei Fragen Auskunft erteilen kann. Dies ist für potentielle Täter:innen sowie für die belästigten Personen eine enorme Unterstützung, weil – wie bereits beschrieben – oft eine grosse Unsicherheit besteht, ob eine konkrete Situation bereits eine sexuelle Belästigung ist und wie man sich nun verhalten soll. Das Seco hilft dabei mit dieser Website

Abschliessend ist noch darauf hinzuweisen, dass die Arbeitgeberin auch das Gleichstellungsgesetz (Art. 4 GlG) zu beachten hat und Täter:innen im Sinne des Strafrechts für sexuelle Belästigung verurteilt werden können.